Effektives und Effizientes Lernen – eine Komplettanleitung (PVKA)

Wie lernst Du richtig?

Googlet man heute “effizientes Lernen”, so erhält man innerhalb von 0,34 Sekunden knapp 664.000 Ergebnisse. Doch was steckt wirklich dahinter? Gibt es über 600.000 verschiedene Herangehensweisen effizient zu lernen? Ich denke nicht. In diesem Artikel erkläre ich dir auf Basis wissenschaftlicher Studien, was wirklich hilft.


Die Theorie hinter effizientem Lernen

Beginnen wir mit einer ganz simplen Vorstellung. Wie läuft dein Lernprozess für gewöhnlich ab?

Grundsätzlichen können wir den ganzen Prozess in drei Schritte einteilen.

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Als erstes das sensorische Gedächtnis: Es fungiert sozusagen als „Echtzeitspeicher“.

Schließlich will man sich nicht an alle Sinnesreize erinnern, die wir in jedem Moment unseres Lebens wahrnehmen.
Normalerweise wählen wir bewusst aus, was wir lernen wollen. Und das übertragen wir dann in unser Kurzzeitgedächtnis, hier als Arbeitsgedächtnis bezeichnet.
Leider vergessen wir auch die neu gelernten Informationen schnell wieder.
Jetzt kommt der entscheidende Schritt. Wir versuchen nun, die neuen Informationen so zu kodieren, dass wir sie ins Langzeitgedächtnis übertragen können.

Im Langzeitgedächtnis verbleiben die Informationen je nach Qualität der Kodierung einige Stunden bis Wochen. Danach muss man die Informationen abrufen, d. h. wiederholen, um sie im Langzeitgedächtnis zu behalten.

So weit so gut, aber wie hilft uns dieses Lernmodell nun weiter? Hier stelle ich dir einen „Lernworkflow” vor, mit dem du in 4 Schritten alles wichtige abdeckst.

Die Lernmaschienerie 

        Priming

Das Wort „priming” kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „grundieren, sich vorbereiten“. Damit meine ich jedoch nicht, dass du dein Buch aufschlagen und deine Farbstifte zurechtrücken sollst.

Unter Priming versteht man eine Beeinflussung des Denkens, in der Art, dass ein bestimmter vorangegangener Reiz die Denk- und Verhaltensweise bei einer darauf folgenden Reaktion beeinflusst.

https://blog.neuronation.com/de/priming-wie-konnen-sie-es-nutzen/

Bei dem Reiz kann es sich um ein Wort, ein Geruch oder ein Bild handeln. Diese Beeinflussung läuft in der Regel unbewusst ab und kann je nach Art des Primings Gedächtnisleistungen verbessern.

[Beispiel]

Metaphorisch kann man sich vorstellen, dass beim Priming das Gehirn den Verlauf einer Straße festlegt, die erst später gebaut und geteert werden soll.

Konkret heißt das: Ich konfrontiere mich bereits vor dem Lernen mit vielen übergeordneten Konzepten eines Themas und versuche diese sinnvoll miteinander in Verbindung zu bringen. Ich schaue mir an „Welche Konzepte gibt es?“ und „Wie passen diese Konzepte zusammen?“. Natürlich kenne ich noch keine Details, aber ich schaffe für mein Gehirn einen assoziativen Zusammenhang, der es später vereinfachen wird, Fakten und komplexere Zusammenhänge einzuordnen.

Wie könnte das in der Praxis aussehen?

Konkret könnte der Priming Prozess darin bestehen, dass du, bevor du ein neues Thema durcharbeitest, einmal das Buch durchblätterst. Du schaust dir die Überschriften an und liest den Text kurz quer. Du fragst dich: „Wie passt das, was ich hier neu sehe zu dem, was ich bereits kenne?” Wenn du genug Zeit hast, kannst du dir auch eine kleine Mindmap anfertigen, in der du die Konzepte, die du später genauer lernen willst, kurz in Relation zueinander setzt. Der Prozess sollte nicht mehr als 5-10% deiner geplanten Lernzeit für ein Thema ausmachen (sprich, bei einer 2h Lernsession 6-12 Minuten).

Wenn du noch mehr über den ersten Schritt des Primings belesen willst, dann schau dir gerne meinen Artikel dazu an, in dem ich näher auf die wissenschafltiche Basis der "Priming Theroy for Education" eingehe. 

Jetzt, da du eine solide Grundlage gelegt hast, können wir zum nächsten Schritt kommen – dem Verstehen.

        Verstehen 

Viele Menschen glauben, dass die Fähigkeit, neue Konzepte schnell zu erfassen, durch Talent oder Begabung bestimmt wird. Dieses „fixed Mindset“ ist ein Fallstrick junger, selbstzweifelnder Menschen geworden [source]. Natürlich gibt es einige Methoden, die man anwenden kann, um neue Themen besser zu verstehen und damit auch schneller lernen zu können.

Eine erste Hilfe kann es dabei sein, in „Konzepten“ zu denken, die miteinander in Beziehung stehen (vernetztes Denken). Was ist also ein Konzept?

Ein Konzept ist eine Idee oder ein geistiges Bild, auf das sich die Gesellschaft geeinigt hat. Es wird akzeptiert und in das kollektive Verständnis und Bewusstsein integriert.

Projekt “Raise the Word”

Zum Beispiel kennen wir alle das Konzept des “Mitochondriums” – es ist bekannt als „das Kraftwerk der Zelle“, wie du wahrscheinlich schon eine Million Mal gehört haben. Darunter verstehen wir ein Zellorganell, welches durch oxidative und chemische Prozess ATP herstellen kann, was unser Körper wiederum als Energiequelle- und währung nutzt. Wenn nun ein Biologe dem anderen etwas über Mitochondrien erzählt, dann wissen beide im besten Fall, wovon der andere spricht. Das Konzept funktioniert.

Jetzt, da wir uns klar gemacht haben, was ein Konzept ist, können wir versuchen das Konzept zu verstehen, indem wir erkennen, wie es in Verbindung mit anderen Konzepten steht. Dazu könnte man sich selbst zum Beispiel folgende Fragen stellen:

Was ist die Aufgabe der Mitochondrien?
Wie sind die Mitochondrien aufgebaut?
Wie hängen die Mitochondrien mit anderen Zellorganellen zusammen?

Durch all diese Fragen verwandelt sich der Lernprozess von einem linearen zu einem nicht-linearen Prozess. Das ist, was wir erreichen wollen, um schnell Dinge zu verstehen. Nur Information alleine hilft uns nicht weiter. Der Kontext, in dem wir Informationen wahrnimmt ist der limitierende Faktor für unser Verständnis.

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Wird dieser Kontext in Form von Verbindungen zu anderen Konzepten geschaffen, so steht dem „Verstehen“ nichts mehr im Wege.

Nachdem wir nun versucht haben, ein Thema richtig zu durchdringen, wollen wir die gewonnene Erkenntnis natürlich in unserem Langzeitgedächtnis abspeichern. Wir müssen unser Wissen nun also irgendwie „Kodieren“.

        Kodieren 

Die Qualität der Kodierung von Konzepten ist der limitierende Faktor schlechthin, wenn darum geht, Erlerntes lange im Kopf zu behalten.

Der Prozess der Kodierung ist immer noch ein großes Forschungsgebiet in der Psychologie und Neurophysiologie. Bis heute ist der Prozess nur schlecht verstanden. Neue Erkenntisse könnten uns jedoch weiterhelfen unseren eigenen Lernprozess zu verbessern.

Eine vielzitierte Studie aus den X hat gezeigt, dass ein großer Einflussfaktor für die Qualität der Kodierung die kognitive Belastung ist.


Vereinfacht will ich diesen Zusammenhang mit einer selbst erstellten Grafik darstellen. Zunächst einmal solltest du feststellen, dass es eine bestimmte “Lernschwelle” gibt (Learning Threshold). Das bedeutet, dass für jeden von uns eine bestimmte kognitive Belastungsschwelle gibt, die er oder sie bewältigen kann.

Natürlich kann man diesse Lernschwelle bis zu einem gewissen Punkt erhöhen, indem man die kognitive Belastung, der man sich aussetzt, ständig steigert. Bildlich gesprochen, wie beim Krafttraining im Fitnessstudio eben.

Je höher die kognitive Belastung, desto besser werden die aufgenommenen Informationen kodiert. Erst wenn die “Lernschwelle” erreicht ist, übersteigt die aufgenommene Information unsere Fähigkeit, sie richtig zu kodieren.

Im Klartext bedeutet dies, dass es keinen schnellen Weg gibt, der das Lernen leicht macht. Ein gewisser Grad an Unbehagen ist sogar essentiell, um effektiv zu lernen.

Je besser die Informationen von Anfang an kodiert werden, desto geringer ist schlussendlich der Aufwand, um das Wissen im Gedächtnis behalten. Was sind also konkrete Tricks, um den Kodierungsprozess zu verbessern?

Auch hier kommt wieder Mindmapping ins Spiel. Ebenfalls gut funktioneren Gedankenpaläste oder andere Mnemonic-Techniken.

        Abrufen

Erst an diesem Punkt des Lernprozesses kommt die regelmäßige Wiederholung ins Spiel. Es liegt auf der Hand, dass du den gelernten Stoff von Zeit zu Zeit wiederholen musst. Aber wie und wann genau solltest du das tun?

Denken Sie bitte daran, was Sie bereits über den Lernprozess wissen: Das ultimative Ziel ist es, Informationen aus dem “Kurzzeitspeicher” in den “Langzeitspeicher” zu übertragen. Die treibende Kraft dafür ist die Wiederholung.

Was Sie hier sehen, nennt man die Ebbinghaus’sche Vergessenskurve. Sie zeigt, dass die Merkfähigkeit zunimmt, je öfter man den Lernstoff wiederholt. Am besten wiederholen wir das gelernte also immer, wenn wir 20% des Gelernten wieder vergessen haben (80% Memory Retention).

In den letzten Jahren wurde die Einteilung passender Zeitintervalle für die Wiederholung durch Software vereinfacht. Viele Studenten nutzen Karteikartenprogramme wie Anki Flashcards oder Quizlet. Diese Programme erfüllen eine Aufgabe sehr gut: Sie zeigen das Erlente genau zu dem Zeitpunkt wieder, an dem man es wiederholen sollte.

Was du aber niemals vergessen solltest: Wiederholung ist nur eines der vier Zahnräder in der Lernmaschinerie.

Im Anschluss befindet sich eine Übersicht der Artikel, die ich über effektives Lernen erstellt habe. Sie teilweise mehr auf die konkrete Anwendung der erklärten Prinzipien ein, teilweise vertiefen sie aber auch die Theorie hinter dem Lernprozess.

Im folgenden Artikel zeige ich dir, wie du all diese Schritte in Realität gut umsetzen kannst. 

Wie du Mindmaps richtig nutzt (nutze hier Metaphern von Dr. Justin Sung) 

Wie du Gedankenpaläste richtig nutzt und baust 

Active Recall und Spaced Repetition – eine schöne Idee 

Warum RemNote? Was RemNote besser als Anki & Co macht.

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